MZ-GESCHICHTEN

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Zweitakter

MZ-GESCHICHTEN

Beitrag von Zweitakter »

MZ-GESCHICHTEN
von Helga und Hansgeorg Meyer und illustriert von Heinz Handschick
DER KINDERBUCHVERLAG BERLIN - DDR 1972
ISBN 3-358-00430-9

Auszug aus Kapitel 8:

In der ganzen Welt machte die MZ von sich reden. Die MZ schickte sich an, zum besten Motorrad der Welt zu werden. Das sollte sich bei den Six-Days beweisen. Zu den Six-Days, zur Sechstagefahrt, treffen sich in jedem Jahr die berühmtesten Geländefahrer mit den stärksten Motorrädern aus allen Ländern. Sechs Tage lang kämpfen die Mannschaften auf einer Strecke von anderthalbtausend Kilometern um die Trophy, den Siegespreis des Internationalen Motorradsport-Verbands, und um eine kostbare silberne Vase, die ein berühmter Künstler vor mehr als zweihundert Jahren für den König von England geschmiedet hat. Als unsere Mannschaft zu den Six-Days reiste, fieberten wir alle im Werk. Mäthengruber rief beim Abschied mit bewegter Stimme: "Jungs, wenn ihr uns die Trophy und die Silbervase bringt, dann schlachte ich für euch einen Elefanten!" Dann jagten wir ihnen Telegramme hinterher, ein Daumendrück-Telegramm nach dem anderen. Der Betriebsfunk drehte alle Lautsprecher auf volle Stärke, und meine Lehrlinge hängten sich die Kofferradios um den Hals, um ja keinen einzigen Sportbericht zu verpassen.

Der erste Tag des Rennens. Keine unserer Maschinen versagte, keiner unserer Fahrer holte einen Strafpunkt. Der zweite Tag. Die westdeutsche BMW, die japanische HONDA, JAWA aus der CSSR, AUGUSTA aus Italien, viele bewährte Motorräder wetteiferten mit unserer MZ. Noch hielten unsere Fahrer die Spitze. Salli war ihr Kapitän. Wir schickten ihm ein neues Telegramm: "Sag es allen, sie sollen die, Ohren steif halten!" Der dritte Tag. Der vierte Tag. Der fünfte. Die Italiener schieden aus, die Westdeutschen kassierten eine lange Reihe von Strafpunkten. Unsere Jungen fuhren, als wäre der knietiefe Morast das glatte Band einer Autobahn. Am sechsten Tag unterbrach der Betriebsfunk seine Übertragungen. Wir hielten den Atem an. Aus den Lautsprechern drang Mäthengrubers Stimme. Sie war seltsam rau. Zuerst ein Räuspern, dann: "Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen ..." Nun rede doch, Mäthengruber, wir sind ja auf das Schlimmste gefaßt! "Ich verlese euch ein Telegramm von unserer Mannschaft. Das Telegramm hat folgenden Wortlaut: Motorradwerke Zschopau, DDR. Haltet Elefanten bereit. Salli, Kapitän. - Ich bitte den Kollegen Seidel zu mir." Als ich die Tür zu seinem Büro aufstieß, telefonierte er mit dem Berliner Tierpark. Er beschwor den Direktor, uns wenigstens den kleinsten seiner Elefanten abzulassen. Zwecklos. Die Tierparkleute zeigten kein Verständnis für unsere Not. Mäthengruber rief die Zoos in Leipzig und in Dresden an, telefonierte mit Prag und mit Warschau, und schließlich rief er fast verzweifelt: "Wenn hier in fünf Minuten kein Elefant steht, dann fahr ich nach Indien und fang uns einen!" Er brauchte nicht nach Indien zu fahren. Ich hatte eine Idee. Ich fuhr nach Sonneberg zu den Puppenmachern. Aus Plüsch und Holzwolle bauten sie uns einen wunderschönen Spielzeugelefanten, mannshoch, daß man auf ihm reiten konnte.

Als unsere Mannschaft mit der Trophy und der silbernen Vase von den Six-Days heimkehrte, stand dieser Elefant im Tor. Im Hof dichtgedrängt, Kopf an Kopf, warteten die Arbeiter, die Lehrlinge, die Techniker, die Kollegen aus den Konstruktionsbüros und aus der Verwaltung und der Küche und die Kinder aus den Patenschulen und den Kindergärten. Solch einen Trubel hatte keiner von uns je zuvor erlebt. Alles schob und drängte in den Speisesaal, dort wollten wir unseren Sieg feiern. Unseren Sieg, denn wir alle waren Sieger, unser Doktor der Technik, der dicke Siggi, genauso wie Salli, Mäthengruber genauso wie mein Sohn, ich genauso wie meine Frau und wie meine Lehrlinge. Vor allem meine Lehrlinge spreizten sich. Man konnte meinen, sie hätten die Six-Days ganz allein gewonnen. Sie rempelten sich, sie stiegen auf die Tische, es war ihnen egal, und es war ja auch alles erlaubt. Sie klatschten und brüllten sich heiser, als unsere Mannschaft die schlammverkrusteten Siegermaschinen auf die Bühne schob.

Es war ein Tohuwabohu im Saal, ein derartiger Jubel, daß niemand hören konnte, welchen Marsch unsere Blaskapelle spielte. Am Abend trafen sich die Helden der Six-Days und die Ehrengäste im Klub. Der Fernsehfunk wollte filmen. Umständlich bauten die Kameraleute ihr Gerät und ihre Scheinwerfer auf. Ein prächtiger Rosenstrauß, den die Kinder unserem Salli überreicht hatten, aus Dankbarkeit für den Elefanten, den sie behalten durften, stand mitten auf dem Tisch und sollte das Fernsehbild schmücken. Die Scheinwerfer flammten auf, die Kamera schwenkte über die Festversammlung. Plötzlich sah ich und glaubte meinen Augen nicht zu trauen: genau bei dem Rosenstrauß stritten sich welche! Um den Rosenstrauß saßen Salli, mein Sohn, unser dicker gelehrter Doktor Siggi und noch etliche andere und hatten die Köpfe zusammengesteckt, fuchtelten mit den Armen und stritten. Streit zur Siegesfeier! Streit vor Millionen Fernsehzuschauern! Das konnte ich nicht dulden. Sofort eilte ich hin, prallte gegen Mäthengruber, den der Streit gleichfalls in Harnisch gebracht hatte, und beide holten wir tief Luft, um Ruhe und Frieden zu schaffen - da hörten wir den gelehrten Siggi ausrufen: "Anders machen wir das, ganz anders! Gebt mal die Serviette da, ich zeichne euch das auf! Und Siggi holte einen Bleistiftstummel aus der Jackentasche seines Abendanzugs und malte in dicken Strichen einen Motor auf die weiße Serviette. Ein guter Motor, das sah man auf den ersten Blick. Ein Motor, der wird uns zu den nächsten Six-Days den nächsten Sieg bringen, Vorausgesetzt allerdings ... . "Zeigt mal her, laßt mich mal", sagte ich und beugte mich über Salli und meinen Sohn. Ich nahm dem Siggi den Bleistiftstummel weg und korrigierte die Zeichnung. "Die Zylinderrippen weiter auseinander, Siggi!" Und Mäthengruber mischte sich ein. "Den Zylinderkopf breiter! Seidel, gib mal den Stift!" Wir stritten mit. Es ging hin und her. 'Wir kritzelten Ziffern und Zeichen und Formeln auf die Serviette, schoben den Rosenstrauß beiseite, zogen die Jacken aus, krempelten die Ärmel hoch, weil wir ins Schwitzen gerieten. Bis jemand "danke!" sagte und die Scheinwerfer erloschen. Wir hatten ganz und gar vergessen, daß uns der Fernsehfunk filmte. All die vielen Millionen Fernsehzuschauer haben mit ansehen müssen, wie wir unseren Sieg mit einem Streit um die neue Technik feierten
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Dirk
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Beitrag von Dirk »

Na ja, den Event hätte die CX nicht gewonnen.
Das gebe ich ja zu, aber sechs Tage hätte ich das auch nicht auf meinem Moped ausgehalten.
Bild NAVI-Nutzer
Giggler

Beitrag von Giggler »

Klasse, da wird mir als eingefleischter MZ-Fahrer ja ganz warm ums Herz.

Das sind halt echt solide Maschinen :dafuer:

@ Uwe
Nicht so bescheiden: die CX hätte das auch gemeistert, gelle!

MfG
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